WIE VIEL MEDIZIN ÜBERLEBT DER MENSCH?

In DIE PRESSE vom 7.12.2012 rezensiert Bettina Reiter unter dem Titel: „Zuhören, nicht auf Monitore starren!“ das Buch von Günther Loewit:

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  • Broschiert: 280 Seiten
  • Verlag: Haymon Verlag; Auflage: 1 (3. September 2012)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3852189179
  • ISBN-13: 978-3852189178

 

 

 

 

 

Bettina Reiter ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und Psychoanalytikerin in Wien. Die Frage, der Günther Loewit in seinem Buch nachgeht, ist: „Ist ‚Überuntersuchungswahn‘ ein Merkmal der heutigen Medizin, gesteuert von kommerziellen Interessen? Dies ist eine Vermutung, mit deren Überprüfung ich mich schon seit längerer Zeit befasse! Loewit führt Beispiele an: ‚Die meisten Anti-Alzheimer-Medikamente stammen aus der Gruppe der Cholinesterasehemmer, das heißt, sie verzögern den Abbau eines im Hirnstoffwechsel zentralen Neurotransmitters, des Acetylcholin. Das bringt den Patienten eine kleine Verzögerung im Fortgang der Krankheit, und das auch nur am Anfang. Die Abgrenzung, so schreibt Loewit, zum „Placeboeffekt, wie er bei der Einnahme jeder Tablette auftritt, fällt schwer“. Dafür gibt es jede Menge Nebenwirkungen. Kanadische Untersuchungen haben gezeigt, dass Alzheimer-Patienten unter der Medikation mit Cholinesterasehemmern doppelt so häufig in stationäre Behandlung aufgenommen werden mussten als Patienten, die nicht behandelt worden sind.‘ oder ‚Hormone im Trinkwasser – die Antibabypille findet sich im Wasser wieder und nicht nur die, auch die Hormone aus der Fleischproduktion. Antibiotikaresistenzen – medizinisch verursachte Behandlungssackgassen.‘

Günther Loewit vertritt gegen all das eine einfache Medizin – eine des Zuhörens und der Berührung. Auch Loewit hat keine Lösung anzubieten, das wäre ja auch wirklich zu viel verlangt. Die Medizin ist eine nachgeordnete Dienststelle von Markt- und Politikinteressen, sie produziert Patienten. Das Sozialversicherungssystem ist eine Verwaltungsagentur dieser Marktinteressen und produziert Früh- und Invalidenpensionisten. Unsere Gesellschaft verwaltet die Interessen der gesellschaftlichen Agenturen, aber nicht die des Individuums, seiner Integrität und seiner Freiheit (die sich womöglich auch nicht verwalten lassen).

Bettina Reiter fasst ihre Eindrücke zusammen: ‚Der Arzt (Gattungsbegriff, gegendert) kann nur die Aufgaben lösen, die ihm in seiner Praxis begegnen. Zuhören und berühren – nicht zu viel machen, Geduld üben und Verständnis haben. Begleiten, weniger untersuchen – Unwissen aushalten. Nicht alles reparieren. Eine solche Haltung erfordert Toleranz dem Leiden gegenüber und Zuversicht für die Heilungskräfte der Menschen. Beides wird nicht auf Universitäten gelehrt, weder früher noch heute. Leider.‘

Toll erkannt, niedergeschrieben, rezensiert und gelebt!

Werner J. Kläring
10.Dezember 2012