Kein Leo für die Ukraine?

Das Zögern des Bundeskanzlers hat einen

triftigen Grund

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Warum ist das mit Spannung

erwartete Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in

Ramstein sang- und klanglos ohne Beschluss über die Lieferung des deutschen Kampfpanzers

Leopard 2 zur Ende gegangen?

Der

Süddeutschen Zeitung

vom 21./22. Januar zufolge

hat Bundeskanzlers Scholz vor einer

Delegation des US-Kongresses auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos geäußert, er wolle die

Leopard-Panzer nur liefern, wenn die USA

ihre Abrams zusagten. Das ist ein dem Leopard

vergleichbares Gefährt sowohl hinsichtlich der Bewaffnung und des Gewichts als auch hinsichtlich des

Preises, der bei rund sechs Millionen Dollar liegt. Darüber hinaus stecken in dem

amerikanischen

Produkt offensichtlich einige Geheimnisse, über die Eingeweihte sich beharrlich ausschweigen.

Nach Darstellung des deutschen Regierungssprechers Hebestreit, so war im „

Weser-Kurier

“ vom 20.

Januar zu lesen, hat der Bundeskanzler den amerikanischen Präsidenten Biden in einem Telefonat

über den Fortgang der Hilfe für die Ukraine davon unterrichtet, dass er grundsätzlich bereit sei, der

Ukraine Leopard 2-Panzer zur Verfügung zu stellen, aber nur, wenn die USA im Gegenzug ihren

Abrams-Panzer lieferten.

Am selben Tag zitierte das Blatt den US-Verteidigungsminister Austin mit den Worten, man wolle den

Ukrainern keine Waffen liefern, „die sie nicht reparieren können, die sie nicht unterhalten können und

die sie sich langfristig nicht leisten könnten, weil das nicht hilfreich ist“. Danach haben die USA nicht

die Absicht, ihren Abrams-Panzer aus der Hand zu geben. Beide Seiten bestritten anschließend ein

solches Junktim. Die

Süddeutsche Zeitung

vom 21./22. Januar bleibt jedoch bei ihrer Darstellung.

Der ukrainische Präsident Selenskij schaltete sich am 19. Januar in ungewöhnlicher Schärfe in die

Diskussion ein. Im ARD-Interview sagte er an die deutsche Seite gerichtet: „Ihr seid doch erwachsene

Leute. Kannst du Leoparden liefern oder nicht? Dann gib sie her.“ Ganz andere Töne schlägt der

Militärhistoriker Wolfram Wette an. In einem Beitrag für die

Süddeutsche Zeitung

vom 21./22. Januar

erinnert er an das Friedensgebot des Grundgesetzes. “In dieser Lage ist es entscheidend, dass sich

die politischen und gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes auf das Friedensgebot des

Grundgesetzes besinnen und ihr Handeln konsequent danach ausrichten. In der aktuellen Situation

bedeutet das:

Volles Engagement für eine schleunige diplomatische Beendigung des Ukraine-

Krieges.“

Eine Titelseite für die Ewigkeit

Eine Titelseite für die Ewigkeit

Zur ersten Ausgabe der Zweiwochenschrift

Ossietzky

im neuen Jahr

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Als ich vor 96 Jahren geboren wurde, litten

Millionen

Menschen auf allen Kontinenten unter den Folgen der

Weltwirtschaftskrise, die ihnen der Erste Weltkrieg

als Hinterlassenschaft

vor die Füße geworfen hatte. Massenhafte Arbeitslosigkeit, soziales

Elend und politische Krisen mündeten in die Herrschaft der

Nationalsozialisten und in den Zweiten Weltkrieg. Über Jahre hinweg

füllten

Hiobsbotschaften die Titelseiten der Zeitungen.

Das nahm auch kein Ende, als mit dem großen Vergessen Gras über

den Leichenbergen von Auschwitz, Maidanek und Sobibor zu wachsen

begann und Picassos Friedenstaube die Sehnsucht der Menschheit

nach Frieden beflügelte. Alle miteinander stumpften wir ab gegen fernen

Kriegslärm, sofern er unsere Urlaubspläne nicht berührte, bis es mit

einem Mal krachte vor der europäischen Haustür.

Auch ein Jahr danach ist das lähmende Entsetzen ob der Missetat nicht

gewichen. Mitten hinein in das lärmende Getöse platzte zu Beginn des

Jahres eine kleine Zeitschrift mit dem ruhmreichen Namen des von den

Nazis verfolgten und zu Tode gequälten Friedensnobelpreisträgers Carl

von Ossietzky. Das antimilitaristische und pazifistisch orientierte Blatt

steht in der Tradition der von Ossietzky während der Weimarer Zeit

herausgegebenen Zeitschriften

„Schaubühne“ und „Weltbühne“.

Die im traditionellen Rot gehaltene Titelseite wird optisch

beherrscht

von

einem einzigen Wort:

Frieden.

Darüber nur der Titel, darunter die Namen

der Autoren des aktuellen Heftes. Das Ganze wie üblich mit schwarzen

Balken umrahmt. In seiner Schlichtheit erinnert das Werk an Pablo

Picassos

Monumentalgemälde zum Gedenken an die Opfer von

Guernica.

Mich hat die kleine Titelseite in der Größe einer halben DIN-A 4-Seite

vom ersten Moment in ihren Bann geschlagen und – ich gebe es zu –

tief

gerührt. Kein Ausrufezeichen, kein Fragezeichnen. Ein Aufschrei,

gerichtet gegen den Kriegstreiber Putin, stellvertretend erhoben für die

vielen hunderttausend Anhänger der Friedensbewegung, von denen die

meisten das Blutvergießen auf den Schlachtfeldern der Ukraine und

Russlands wie gelähmt orientierungslos verfolgen.

Picasso äußerte sich im Dezember 1937 zu seiner künstlerischen

Haltung folgendermaßen: „Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern,

dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt

bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht,

angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität

und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten

kann.“